Kampf um Kanalausbau geht weiter

Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie einen Ausbau des Hildesheimer Stichkanals derzeit nicht für notwendig hält. Und wie überall in Deutschland wehren sich die Verlierer des neuen Konzeptes von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auch hier.

21.07.12 –

Befürworter wollten negative Einstufung nicht akzeptieren / Ministerium: "Wort nicht gebrochen"

(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 21.07.12)  Kreis Hildesheim. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie einen Ausbau des Hildesheimer Stichkanals derzeit nicht für notwendig hält. Und wie überall in Deutschland wehren sich die Verlierer des neuen Konzeptes von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auch hier. Die Bürgermeister von Hildesheim, Algermissen und Giesen wollen die Entscheidung nicht hinnehmen und kündigen neue politische Initiativen an, ebenso das Land. Weniger diplomatisch sieht man das Ganze beim Landhandel Weiterer in Algermissen: "Ich bin enttäuscht und fühle mich getäuscht", schimpft Geschäftsführer Konrad Weiterer.

Zum Hintergrund: Schon seit Monaten hatte das Bundesverkehrsministerium bei Anfragen zum Stichkanal-Ausbau sehr zögerlich reagiert. Inzwischen ließ Minister Ramsauer die Katze aus dem Sack. Sein Haus hat Deutschlands Wasserstraßen in drei Kategorien eingeteilt. Der Stichkanal fällt dabei in die unterste Kategorie C. Die will Ramsauer erhalten, aber nicht ausbauen. Würde bedeuten: Der Stichkanal wird weder vertieft noch verbreitert, auch ein Ausbau des Hildesheimer Hafens wäre damit gestorben.

Das Ministerium argumentiert mit der Menge der Güter, die auf einem Kanal transportiert werden. Wo pro Jahr maximal 3 Millionen Tonnen bewegt werden, greift die Kategorie C - und der Stichkanal kommt gerade auf ein Drittel. "Dabei haben wir Prognosen für künftige Entwicklungen einkalkuliert", betont Ministeriums- Sprecher Matthias Schmoll.

Worauf hiesige Kanalbefürworter bislang große Hoffnungen gesetzt hatten: Der Bund lässt die Schleuse Bolzum für rund 60 Millionen Euro ausbauen, offizielle Eröffnung ist am 2. November. Diese Investition mache nur Sinn, wenn danach auch Kanal und Hafen erweitert würden, argumentierten sie. Das sieht auch das Land so. Kommt es nun anders, wäre das etwa für Algermissens Bürgermeister Wolfgang Moegerle "ein Fall für das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler." Weitere Hoffnung: Schleuse und Kanalausbau seien im Prinzip eine Baumaßnahme, deshalb sei die Kategorisierung gar nicht entscheidend.

Dieser Lesart widerspricht Ministeriums- Sprecher Schmoll allerdings: "Dieser Zusammenhang ist nicht zwingend." Dabei hatte Staatssekretär Enak Ferlemann noch vor wenigen Wochen bei einem Besuch hiesiger Spitzenpolitiker in Berlin betont: "Der Bund steht zum Ausbau des Stichkanals."

Für Schmoll ist das allerdings kein Widerspruch. Der Bund baue den Stichkanal ja aus: "Wir reißen einige Brücken ab und bauen andere neu und höher", erklärt er. Dank der neuen Schleuse könnten also künftig "Großmotorgüterschiffe" mit bis zu 110 Metern Länge in den Stichkanal einfahren, zudem könne man die Schiffe höher beladen als bisher. "Insofern tritt durchaus eine Verbesserung ein", so Schmoll. "Wir sind nicht der Meinung, dass wir unser Wort brechen."

Das sieht Landhandel-Chef Konrad Weiterer ganz anders: "Ich fühle mich getäuscht und enttäuscht", sagt der Geschäftsführer eines der größten Getreide- Logistiker Norddeutschlands. "Die Planung läuft seit acht Jahren, alle Verträge sind perfekt - und jetzt das." Weiterers Problem könnte sein, dass sein Betrieb als einziger konkrete Investitions-Absichten formuliert. Kali+Salz oder Bosch haben Pläne, aber noch nichts Belastbares.

Schmolls Hinweis auf die größeren Schiffe tröstet Weiterer indes nicht - weil er ihn für theoretisch richtig, praktisch aber falsch hält: "Die passen zwar durch die Schleuse. Aber Versuchsfahrten auf dem Salzgitter-Stichkanal haben gezeigt, dass sie auf dem Kanal nicht fahren können." Wenn dieser nicht verbreitert werde, könnten sie nicht genug Wasser verdrängen, so dass das Heck auf den Kanalboden gedrückt werde." Hieße: Die Gesetze der Physik würden die Großschiffe kurz hinter der Schleuse stoppen. Stoppen soll Ramsauer seine Kategorisierung - fordern Hildesheims Oberbürgermeister Kurt Machens sowie die Verwaltungschefs Wolfgang Moegerle (Algermissen) und Andreas Lücke (Giesen). "Wir wollen sowohl mit Landes-Wirtschaftsminister Jörg Bode als auch den örtlichen Bundestags- Abgeordneten sprechen", kündigt Machens an."Wir akzeptieren die Kategorisierung nicht." Man wisse zwar, dass in Deutschland nicht genug Geld für alles Notwendige da sei, so Machens: "Aber wir sind überzeugt vom Sinn des Kanalausbaus und wollen weiter das Ministerium überzeugen."

Dabei helfen sollen die hiesigen Abgeordneten - vor allem Bernhard Brinkmann (SPD) ist dazu bereit. "Ich erwarte, dass das Ministerium unabhängig von der aktuellen Einstufung zu seinen mehrfach geäußerten Zusagen steht", fordert er. Es gelte nicht zuletzt, den Abbau von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Region zu verhindern.

Eckart von Klaeden (CDU) zeigt sich zurückhaltender. Er verweist wie das Verkehrsministerium auf die Großmotor-Güterschiffe: "Damit ist ein erster Schritt der Verbesserung und des Ausbaus umgesetzt." Doch von Klaeden sagt auch: "Da die Entscheidung über den Ausbau auch von der tatsächlichen Entwicklung des Verkehrs abhängt, kann man zurzeit keine Aussage über den Zeitpunkt machen."

Skeptisch ist weiterhin Brigitte Pothmer (Grüne). Zwar sei ihre Partei grundsätzlich für Wasserstraßen. Zur Bolzumer Schleuse meint sie allerdings: "Wer A sagt, muss nicht zwangsläufig B sagen." Die Kosten-Nutzen-Analyse für den Kanal sei 20 Jahre alt, die Steuerzahler hätten ein Recht auf erneute Prüfung. Sei der Ausbau nachhaltig wirtschaftlich, sei sie dafür, wenn Umweltaspekte berücksichtigt würden. Das Land steht anders als der Bund ebenfalls auf dem Standpunkt, Schleuse und Stichkanal-Ausbau gehörten zusammen. Wichtig ist allerdings auch, wie der Bundestag das Konzept von Minister Ramsauer beurteilt. Es wird im Herbst in mehreren Fachausschüssen diskutiert. Sicher ist: Forderungen wird es aus vielen Ecken der Republik geben.

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