Für „Rucksack“-Teilnehmerinnen hat der Alltag begonnen

Das Projekt „Rucksack“ in der Nordstadt hat Frauen überwiegend ausländischer Herkunft zu Elternbegleiterinnen gemacht. Sechs von 14 Absolventinnen arbeiten in diesem Bereich. Wie sieht ihr Alltag nach der Prüfung aus?

(Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 31.12.08) Hildesheim. Das Projekt „Rucksack“ in der Nordstadt hat Frauen überwiegend ausländischer Herkunft zu Elternbegleiterinnen gemacht. Sechs von 14 Absolventinnen arbeiten in diesem Bereich. Wie sieht ihr Alltag nach der Prüfung aus?

Arbeitstreffen im Sitzungsraum des Kindergartens Sankt Johannes. Mehrere Frauen sitzen um einen runden Tisch herum und erzählen, wie es weitergeht nach der Phase der Schulung. Renate Schenk hört aufmerksam zu. Gemeinsam mit Andrea Gertig hat sie die Frauen geschult. Einmal im Monat treffen sich alle nun regelmäßig, berichten, wie sie Eltern angesprochen haben, um Werbung für die zweisprachige Erziehung zu machen. Denn das ist ein Prinzip des „Rucksacks“: Das Projekt will nicht mit aller Gewalt zum Beispiel türkischen Kindern Deutsch beibringen. Vielmehr sollen diese Kinder erst einmal ihre Muttersprache richtig beherrschen und dann Deutsch. In der Praxis heißt das, in diesem Fall türkischstämmige Mütter dazu ermuntern, ihren Kindern in der Phase des Spracherwerbs (das ist vom 3. bis 5. Lebensjahr) am besten beide Sprachen zu vermitteln. In jedem Fall aber eine davon gründlich. Für die Kinder soll die Erkenntnis herüberkommen: „Ich muss nicht Deutsch sprechen, ich möchte aber Deutsch lernen.“

Beispiel Zähneputzen: Ein alltäglicher Vorgang. Die Mütter können ihn aber nutzen, den Kindern Begriffe wie „heiß“ und „kalt“ zu vermitteln, alles rund um die Aktion also.

Beispiel Verkleidungskiste: Kinder und Mütter fischen sich aus einer großen Kiste Kleidungsstücke aller Art heraus. Sie erfahren, wie man sich gegen Kälte schützt, was regenfest ist und wie eine Prinzessin herumlaufen würde. Themen wie Winter, Sommer, Farben, Stoffe können angesprochen werden. Die Mütter, die sich am Projekt beteiligen, bekommen genaue Arbeitsanweisungen, erläutert von den Begleiterinnen. Und wenn sie mit ihrem Kind Verkleiden spielen, können sie davon ausgehen, dass das Ganze im Kindergarten später wiederholt wird.

Denn die sechs Elternbegleiterinnen arbeiten eng mit den Kindergärten zusammen (das sind neben Sankt Johannes das Nordlicht des DRK und der Blaue Elefant des Kinderschutzbundes). Die Arbeit im Kindergarten ist auf den „Rucksack“ für die Eltern zu Hause abgestimmt. Die lernen vom „Rucksack“ weitaus mehr als reine Sprache. Was macht man eigentlich, wenn ein Kind in einem bestimmten Alter stottert? Auch solche Fragen werden behandelt, Renate Schenk: „Das ist auch ein Stück allgemeine Elternbildung.“

„Das Programm frischt auch mein Türkisch wieder auf“ sagt eine türkischstämmige Deutsche der zweiten Generation. Sie spricht zwar Türkisch, hat aber nicht mehr den ganzen Wortschatz drauf. Im übrigen hat sie die Sache mit der Zweisprachigkeit zu Hause mustergültig gelöst: Sie spricht mit ihren Kindern Deutsch, ihr Mann Türkisch. „Grund fassen in einer Sprache“ (Schenk) ist so doppelt möglich.

Wer sich dank des „Rucksacks“ mit Spracherwerb und Schulung auskennt, kann die Chancen multikultureller Ehen ganz gut nutzen. Wie die Russin, die in Estland gelebt hat (Sprachen: Estisch, Russisch) und deren Ehemann Kurde ist (Sprachen: Kurdisch, Türkisch). Dieses Paar hat eine Lösung für die ersten Jahre gefunden: Der Mann spricht Kurdisch, die Frau Russisch, alle beide dann Deutsch.

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Kinder und Jugend, Bildung

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