Hildesheimer Frauenhaus: Zuflucht seit 30 Jahren

68 Frauen und 65 Kinder fanden im vergangenen Jahr in der Einrichtung Schutz und Hilfe.

68 Frauen und 65 Kinder fanden im vergangenen Jahr in der Einrichtung Schutz und Hilfe / 633 Fälle häuslicher Gewalt gemeldet

(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 14.03.09) Hildesheim. Seit 30 Jahren ist das Frauenhaus in Hildesheim Anlaufstelle für Frauen in Not und ihre Kinder. Sie finden dort einen sicheren Ort, sowie Rat und Unterstützung, um Mut für den Start in ein neues Leben zu sammeln.

Für viele sei besonders das Miteinander wichtig, wissen die Mitarbeiterinnen des Frauenhaus-Vereins Katrin John und Kerstin Bötjer: Die Frauen machen im Frauenhaus die Erfahrung, dass sie nicht allein sind mit ihren Erlebnissen. Das bestärkt sie darin, die Schuld für die Gewalttätigkeit des Partners nicht länger bei sich selbst zu suchen und auf ihre Fähigkeit zu einem unabhängigen Leben zu vertrauen. Auch die Kinder werden im Frauenhaus durch gezielte, altersgemäße Angebote unterstützt, damit sie ihre Gewalterfahrungen verarbeiten können.

Manche Frauen bleiben nur ein paar Stunden, manche fast ein Jahr. Meist dauere es etwa fünf Monate, bis eine Frau ihr neues Leben organisiert habe, wissen die Sozialarbeiterinnen. Wohnungssuche, finanzielle Absicherung, Scheidung, Sorgerechtsstreit, Suche nach einem Kindergartenplatz oder Hilfe bei Schulproblemen – bei alldem helfen die fünf Mitarbeiterinnen des Vereins Frauenhaus Hildesheim.

Im Frauenhaus stehen acht Zimmer mit insgesamt 18 Betten zur Verfügung, sodass acht Frauen mit ihren Kindern gleichzeitig dort leben können. Zu manchen Zeiten reicht das nicht aus. Dennoch können Frauen jederzeit, Tag und Nacht, im Frauenhaus Zuflucht suchen, betonen die Mitarbeiterinnen. Im Notfall werden sie an andere Häuser vermittelt. Im Hildesheimer Frauenhaus fanden allein im vergangenen Jahr 68 Frauen und 65 Kinder Schutz.

Dass Frauen sozusagen Hals über Kopf den Partner verlassen, komme immer noch vor, sei aber seltener geworden, sagen John und Bötjer. Grund dafür ist das Gewaltschutzgesetz, dass es der Polizei erlaubt, in Fällen häuslicher Gewalt einen Platzverweis auszusprechen und dem prügelnden Mann den Zutritt zur ehelichen Wohnung zu verbieten. Das gibt der Frau die Zeit, ihre Sachen zu packen und ihren Auszug vorzubereiten.

In der Beratungsstelle des Frauenhauses führten die Mitarbeiterinnen im vergangenen Jahr 566 Gespräche, häufig mit Frauen in Trennungssituationen. Die hilfesuchenden Frauen kommen aus allen sozialen Schichten und sind oft auch beruflich und finanziell unabhängig. Nicht alle suchen Aufnahme im Frauenhaus. Manchen wird erst durch die Gespräche klar, dass sie ihre Situation nicht länger erdulden können und müssen. Warum Frauen manchmal jahrelang Gewalt ertragen, hat nach Erfahrung der Beraterinnen mehrere Gründe.

So spiele die Scham vor Familie und Freunden eine Rolle, die Angst vor Verfolgung durch den Partner oder vor dem Verlust des Lebensstandards. Auch gerieten die Frauen durch Gewalt und Demütigung in einen Zustand innerer Betäubung und Isolation. Außerdem erinnern sie sich an bessere Zeiten mit ihrem Partner, wollen die Hoffnung auf ein glückliches Familienleben nicht aufgeben. Der Anstoß, Hilfe zu suchen, kommt manchmal von Dritten, oft wollen die Frauen vor allem ihre Kinder vor Übergriffen schützen, "oder das Maß ist einfach voll." Denn die Gewalt nehme im Lauf der Zeit meist zu.

633 Fälle häuslicher Gewalt in Stadt und Landkreis Hildesheim wurden im vergangenen Jahr bei der Beratungs- und Interventionsstelle (BISS) gemeldet, die meisten durch die Polizei. Kerstin Bötjer sucht dann den Kontakt zu den betroffenen Frauen, 70 Prozent nahmen ihre Beratungs- und Hilfsangebote an. Die  Zahl der Stalking-Fälle, also der Verfolgung und Belästigung durch einen Ex-Partner, sei wie im Vorjahr wieder angestiegen, so Bötjer.

Der Verein Frauenhaus hat einen Jahresetat von rund 200 000 Euro. Davon trägt die Stadt Hildesheim 28 Prozent, der Landkreis 27 Prozent, das Land  Niedersachsen 29 Prozent. Die restlichen 16 Prozent muss der Verein durch Mitgliedsbeiträge, Spenden oder zugewiesene Bußgelder aufbringen. Dabei geht es vor allem um Sachkosten. Bei so vielen wechselnden Bewohnerinnen im Frauenhaus müsse auch einmal renoviert werden, sagen die Sozialarbeiterinnen. "Mehr können wir nicht sparen." Im nächsten Jahr werde das Land etwa 9000 Euro weniger überweisen: Das bedeute Kürzungen beim Personal und damit Einschränkungen des Angebotes, befürchten die Frauen. Bisher arbeiten neben John und Bötjer noch Christa von Cyssewski, Andrea Dittrich und Selma Fuchs beim Frauenhaus-Verein.

 

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