Pothmer will Jobcenter von der kurzen Leine befreien

Hildesheim (sky). Die Bundesanstalt für Arbeit hat die Jobcenter an die kurze Leine gelegt. Statt individuelle Lösungen für Hartz IV-Empfänger zu bieten, werden sie von oben »durchregiert«. So sieht es jedenfalls die Grünen-Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer. Ihre Stippvisite im Jobcenter Hildesheim hat sie in ihrer Meinung bestärkt.

Grünen-Sprecherin besucht Arbeitsvermittler in Hildesheim / Soziale Spaltung befürchtet / Hoffen auf Beck und Merkel

Hildesheim (sky). Die Bundesanstalt für Arbeit hat die Jobcenter an die kurze Leine gelegt. Statt individuelle Lösungen für Hartz IV-Empfänger zu bieten, werden sie von oben »durchregiert«. So sieht es jedenfalls die Grünen-Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer. Ihre Stippvisite im Jobcenter Hildesheim hat sie in ihrer Meinung bestärkt.

»Wir verschenken in Deutschland ein ungeheures Potenzial an Kompetenz, das in jedem Menschen steckt«, sagt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundesgrünen. Gemeinsam mit Karin Loos von den Hildesheimer Grünen hat sie das Jobcenter aufgesucht, um sich ein Bild von der praktischen Arbeit zu verschaffen.

Ihr Urteil lautet: »Das Jobcenter braucht mehr Freiheit.« Es sei in seinen Möglichkeiten zu sehr von den Vorgaben seitens der Bundesagentur geknebelt.

»Ein Kind ohne Schulabschluss kann gleichzeitig ein genialer PC-Freak sein«, nennt Pothmer ein Beispiel. Warum wird er gewissermaßen »abserviert«, statt an seine Fähigkeiten anzuknüpfen. Ein Dilemma, das auch das deutsche Bildungswesen prägt, führt sie aus: »In der Schule wird aussortiert statt zu fördern.« Sie fordert für die Jobcenter und Argen (Arbeitsgemeinschaften) vor Ort Hoheitsrechte für die Arbeit. Stattdessen werde von oben »durchregiert«.

Dafür müsse aber das Verfassungsrecht verändert werden, und das geht nur mit Beteiligung der Großen Koalition in Berlin, sagt Pothmer. Sie will dafür den nötigen Konsens erreichen. Bislang urteilt das Bundesverfassungsgericht gegen eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung von Bundesanstalt und Kommune.

Bis 2010 muss der Gesetzgeber sowieso die Strukturen neu regeln. Davon ausgenommen sind 69 Kommunen, die ein eigenständiges Optionsmodell fahren. Doch auch deren Rechtssicherheit ist nur bis 2013 gesichert.

Mehr Eigenverantwortlichkeit vor Ort heißt auch, individuelle Lösungen für die Leistungsempfänger anzubieten, sagt Karin Loos, die Pothmer bei ihrem Besuch begleitet hat. Beispiel Schülerbeförderung: Der Landkreis zahlt ab der 11. Klasse nicht mehr. Das Jobcenter könnte einspringen und für Hartz IV-Empfänger mit Darlehnsmodellen arbeiten.

Doch der so genannte »Experimentierparagraph« § 16 Absatz 2 im Sozialgesetzbuch werde von der Bundesregierung zunehmend eingeschränkt. »Er diente gerade dazu, flexible Lösungen zu finden, jetzt müssen sich die Kunden an die Instrumente anpassen statt umgekehrt«, kritisiert Pothmer.

Ähnlich wie bei der Eigenverantwortlichen Schule fordert sie eigenverantwortliche Argen: »Verschiedene Modelle können miteinander konkurrieren und die besten Ideen suchen, um Menschen aus der Arbeitslosigkeit zu befreien.« Der Bund müsse in der finanziellen Verantwortung bleiben, fordert die Grünen-Sprecherin, außerdem müsse es ein bundeseinheitliches Leistungssystem geben: »Das ist aber kein Freibrief für den zentralen Durchgriff.«

Pothmer befürchtet, dass die Hartz IV-Empfänger angesichts einer starren Doppelbürokratie zunehmend aus ihrer sozialen Mitverantwortung für die Gesellschaft zurückziehen. »Das Motto ›Jeder ist seines Glückes Schmied‹, bringt die Menschen ins Abseits«, befürchtet Pothmer: »Die soziale Spaltung unserer Gesellschaft ist längst Realität.« Das habe auch die Pisa-Studie gezeigt.

Pothmer macht sich nun für die Verfassungsänderung stark und hofft dabei auf Beck und Merkel: »Die Große Koalition muss über ihren rotschwarzen Schatten springen.«

Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 06.05.2008

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