"Sehr geehrte Damen, sehr geehrter Herr"

Mit zahlreichen Veranstaltungen wurde gestern in Hildesheim der Internationale Frauentag gefeiert – Männer ließen sich dabei nur wenige blicken.

Mit zahlreichen Veranstaltungen wurde gestern in Hildesheim der Internationale Frauentag gefeiert – Männer ließen sich dabei nur wenige blicken

(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 9.3.09) Hildesheim. Der Internationale Frauentag ist, soviel ist klar, für die Frauen da. Dass die sich mit ihren Anliegen aber natürlich auch an die männliche Hälfte der Bevölkerung richten, schien die Hildesheimer Herren kaum zu interessieren. Nur wenige fanden den Weg zu einer der Veranstaltungen.

Zu einem Empfang ins Kreishaus hatte die Konferenz der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises eingeladen. Nach der Begrüßung durch Christa Schick, Leiterin der Gleichstellungsstelle des Landkreises, schaute sich Dr. Lore Auerbach daher vor ihrem Grußwort ausgiebig im Saal um. "Ich muss genau hinschauen, um zu wissen, ob ich neben 'herzlich willkommen meine Damen' auch 'und Herren' sagen muss", erklärte die Ehrenbürgerin von Hildesheim. Zur Freude Auerbachs und der Frauen erhob sich daraufhin der einzige männliche Besucher im gut gefüllten Sitzungssaal.

Bevor die Politikwissenschaftlerin Professor Claudia Derichs mit ihrem Vortrag beginnen konnte, gab es zunächst noch eine Überraschung. Karin Loos von den Grünen, Trakia Diedrich von der CDU sowie Waltraud Friedemann von der SPD riefen die ehemalige Leiterin der Gleichstellungsstelle, Almut von Woedtke, zu sich aufs Podium. "Wir möchten uns bei ihr für die vielen Jahre bedanken, in denen sie diesen Empfang jedes Jahr organisiert und sich für die Frauen im Kreis engagiert hat", erklärten die drei Politikerinnen und überreichten von Woedtke eine Stockrose. "Weil Frau von Woedtke immer die überparteiliche Zusamenarbeit gefördert hat, haben Vertreterinnen aller Parteien gemeinsam die Pflanze überreicht", betonte Karin Loos. Von Woedtke leitet nun die Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung und Frauenbeauftragte in Hannover.

Etwas weiter als bis nach Hannover ging Professorin Claudia Derichs in ihrem Vortrag "Frauen gestalten die Welt". Tatsächlich gebe es heute Frauen als politische Akteurinnen auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene. "Doch darauf sollten wir uns nicht zu viel einbilden", betonte Derichs. "Auf anderen Kontinenten, zum Beispiel in Asien, stehen weit mehr Frauen an der Spitze." Leider könne man daraus nicht den Schluss ziehen, dass sich das in diesen Ländern auf allen Ebenen fortsetze.

Zur Frage, ob festgelegte Frauenquoten in der Politik ein Übel oder Segen seien, bezog Derichs eindeutig Stellung: "Im Zweifel bin ich immer pro Quote." Eine Quote allein reiche jedoch nicht. "Es bedarf immer noch der Stimme der Frauen. Wenn sie diese nicht erheben, nützt auch ein Frauenanteil von 30 Prozent wenig."

Ihre Stimme erheben, das wollten auch die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) am gestrigen Frauentag. Unter der Überschrift "Frauen verdienen mehr" forderten sie, was längst eine Selbstverständlichkeit sein sollte: gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Zu einem informativen und unterhaltsamen Nachmittag begrüßten dazu die ASF-Unterbezirksvorsitzende Reinhild Probst und die Landtagsabgeordnete Jutta Rübke etwa 30 Frauen und einige wenige Männer im AWO-Trialog Kontor. Mit großem Interesse lauschten die Gäste den unterschiedlichen Beiträgen und griffen gerne das Angebot zum Diskutieren auf. Dazu gab es freche Couplets von Otto Reutter zu hören, vorgetragen von Musikdramaturg Ivo Zöllner. Von einer durchaus positiven Entwicklung in seinem politischen Umfeld berichtete der Bundestagsabgeordnete Bernhard Brinkmann. In diesem Bereich gebe es keine Unterschiede im Lohn. Aufs Ganze gesehen sei die berufliche Situation für Frauen jedoch nach wie vor unbefriedigend, erklärte Regina Stolte, Kreisvorsitzende des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund).

Unter Schirmherrschaft der Grünen-Abgeordneten Brigitte Pothmer hatten der Arbeitskreis Grüne-Frauenpolitik, die Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt (BISS), der Flüchtlingsrat Niedersachsen sowie das Hildesheimer Frauenhaus und der Internationale Frauentreff anlässlich des Frauentags zu einem Kinonachmittag ins Cinema am Bahnhofsplatz geladen. Um ein Frauenschicksal der etwas anderen Art ging es in dem im Iran spielenden Film "Persepolis". Für das überwiegend weibliche Publikum ein Anlass zum Nachdenken über die Bedeutung des Frauentags in anderen Kulturkreisen und sicherlich auch eine Diskussionsgrundlage für Gespräche über die Erfolge der deutschen Frauenbewegung.

Ein im wahrsten Sinne des Wortes "buntes Programm" hatte die Volkshochschule Hildesheim zum Frauentag vorbereitet. Bei einem orientalischen Fest im Mehrgenerationenhaus präsentierten sich gleich zehn Tanzgruppen dem Publikum. Etwa 80 Zuschauerinnen applaudierten unter anderem den Darbietungen der 18-jährigen Judith Wischiowski, die das Fest mit einem Solo-Programm eröffnete und der mit 67 Jahren ältesten aktiven Teilnehmerin, der türkischstämmigen Asiyan Marx. Sie hatte den orientalischen Tanz in den 1980er-Jahren nach Hildesheim gebracht und wusste auch bei dieser Gelegenheit wieder einmal das Publikum zu verzaubern.

Bauchtanz mit Elementen aus dem modernen Tanz stand an diesem Nachmittag auf dem Programm. Dabei machten die Tänzerinnen Anleihen bei Techno-Musik bis kaukasischer Folklore. Auch ein indischer Pfauentanz, ganz im Stil von Bollywood, durfte nicht fehlen. Wer hier allerdings aus Sicht der  Veranstalterinnen durchaus fehlen durfte, das waren die Herren der Schöpfung. Sie waren zu dem Fest am Frauentag gar nicht erst eingeladen.

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