Rübe gibt ordentlich Gas im Fermenter

Zugegeben: Der Mais ist etwas in Verruf geraten. Die gelben Körner gehören zwar weiterhin zum wichtigsten Rohstoff, um in einer Biogasanlage aus Pflanzen Energie zu gewinnen. Aber die Akzeptanz für weitläufige Maisfelder sinkt in der Bevölkerung. Einseitige "Vermaisung" der Landschaft oder ausbreitende Monokultur - so lauten die gängigen Vorwürfe. Seit diesem Jahr gibt es für Biogasanlagen-Besitzer sogar den bundesweit neu verordneten Mais- Deckel: Das bedeutet, die Gärmasse darf nur nochmaximal zu 60 Prozent aus Mais bestehen.

24.07.12 –

Neuer Mais-Deckel: Biogasanlagen gewinnen auch aus anderen Pflanzen Energie / Algermissener setzen auf Zuckerrübe

(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 24.07.12)  Algermissen. Zugegeben: Der Mais ist etwas in Verruf geraten. Die gelben Körner gehören zwar weiterhin zum wichtigsten Rohstoff, um in einer Biogasanlage aus Pflanzen Energie zu gewinnen. Aber die Akzeptanz für weitläufige Maisfelder sinkt in der Bevölkerung. Einseitige "Vermaisung" der Landschaft oder ausbreitende Monokultur - so lauten die gängigen Vorwürfe. Seit diesem Jahr gibt es für Biogasanlagen-Besitzer sogar den bundesweit neu verordneten Mais- Deckel: Das bedeutet, die Gärmasse darf nur nochmaximal zu 60 Prozent aus Mais bestehen.

Für die BioEnergie Algermissen kein Problem: Die fünf Landwirte Dirk Ernst, Heinz Köhler, Joachim Deister, Josef Ernst und Henry Algermissen, die am Borsumer Pass 2005 die erste Biogasanlage im Landkreis Hildesheim in Betrieb nahmen, haben sich von Anfang an um pflanzliche Alternativen bemüht. Die weitsichtigen Betreiber wollten sich nicht einseitig auf nur eine nachwachsende Energiepflanze beschränken. Die neue Regelung kann sie also nicht schrecken. "Breit aufgestellt zu sein, das ist uns immer wichtig", sagt Geschäftsführer Dirk Ernst. Er weiß genau, dass der hoch wachsende Mais gerade von Spaziergängern in der Feldmark als eher störend und einengend empfunden wird. Auch im eigenen Interesse sieht er Mais kritisch: Eine vermehrte Anpflanzung in enger Folge auf den Äckern bringe die Gefahr von Krankheiten und Schädlingen mit sich. "Aber der Maisanteil beträgt auf den Feldern im Landkreis Hildesheim ohnehin nur etwa zehn Prozent", betont der 55-jährige Agraringenieur.

Neben Versuchen mit Sonnenblumen, Roggen und Hirse haben sich die fünf Algermissener Energiewirte nun hauptsächlich auf die Zuckerrübe konzentriert. Sie hat sich inzwischen eine wichtige Rolle erobert. Ernst: "Das ging im Jahr 2007 zunächst noch ganz stoppelig los." Die Zuckerrübe hatte bei den Biogas-Betreibern zunächst nur als sogenannte "Überrübe" Bedeutung, also die Verwertung von Feldfrüchten, die über die vereinbarte Menge mit der Zuckerfabrik geerntet worden waren. Auch machten sich unter den alteingesessenen Landwirten Skrupel breit: "Schmeißt man die ,Königin der Feldfrüchte‘ einfach so in den Fermenter?" Von der Zuckerspenderin zur Energielieferantin?

Doch bei der vermeintlichen Restverwertung ist man schnell auf den Geschmack gekommen. "Zuckerrüben weisen hervorragende Gäreigenschaften und hohe Gaserträge je Hektar auf", versichert Ernst. Er schreibt der Rübe einen Booster-Effekt zu, also eine Art Traubenzucker- Kick für die Biogasanlage. Denn im Vergleich zu anderen Substraten zeichne sich die Zuckerrübe durch besonders schnellen Abbau aus. Während die empfindlichen Bakterien in dem voluminösen Fermenter für den Mais zwischen 12 und 14 Tage brauchen, um auf den Gashöhepunkt zu gelangen, schaffen sie die Zuckerrübe in 36 Stunden.

"Mit einer sehr guten Energiebilanz", lobt Kollege Heinz Köhler von BioEnergie Algermissen den "gasgebenden" Einfluss der Zuckerrübe auf den Gesamtprozess. Denn grundsätzlich führt eine schnellere Vergärung zu einer erhöhten Auslastung der Biogasanlage. Immerhin werden am Borsumer Pass fünf Millionen Kilowattstunden regenerativer Strom erzeugt - das entspricht dem Verbrauch von durchschnittlich 1200 Haushalten im Jahr. "Also ein Drittel von Algermissen wäre versorgt", sinniert Geschäftsführer Ernst und man merkt, dass ihm der Gedanke gefällt.

Kein Wunder, dass die Rübe plötzlich nicht nur für den Teller, sondern auch für den Tank eine hohe Attraktivität bekommt - und zwar gerade in der Hildesheimer Börde, wo Rüben in der Schwarzerde besonders gut gedeihen. Zudem ist ihre Wuchshöhe niedrig, sie kann umweltschonend angebaut werden und ist im Landschaftsbild absolut akzeptiert. Nachteil allerdings: Die Zuckerrüben sind nicht ganzjährig verfügbar. Das heißt, die Lagerung ist im Vergleich zu Mais schwieriger und daher teurer. An einer besseren Konservierungsmethode wird noch gearbeitet.

Nun soll die Zuckerrübe als leicht vergärbare Biomasse den Rohstoff Mais in der Zukunft beileibe nicht komplett ersetzen. Vielmehr wird in der Algermissener Biogasanlage inzwischen eine ausgewogene Mischung aus Rüben, Mais und geringeren Mengen Sonnenblumen und Getreide (Roggen) favorisiert. Mit rund 30 Tonnen dieser Mix-Silage, die sich in bis zu sechs Meter hohen, leicht säuerlich riechenden Bergen auf dem Gelände am Borsumer Pass auftürmen, muss die Biogasanlage täglich bestückt werden. Diese "Fütterung" per Teleskoplader und das Controlling der Anlage nimmt allein drei Stunden in Anspruch.

"Unsere Felder sind nicht weiter als im Umkreis von sechs Kilometern zu erreichen", betont Dirk Ernst. Sein öfter zitierter Lieblingssatz lautet daher auch: Energiepflanzen-Anbau ist abhängig vom Standort und von der Anlage. Gerade in etablierten Rübenanbaugebieten ohne lange Anfahrtswege kann die Zuckerrübe bislang tatsächlich eine wirtschaftlich und pflanzenbaulich sinnvolle Ergänzung sein, um im Fermenter ordentlich Gas geben zu können.

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