Beim Mais scheint das Limit erreicht

Der Biogas-Boom im Landkreis Hildesheim scheint sich dem Ende zuzuneigen. Der Landvolk-Vorsitzende Wolfgang Rühmkorf hält es für unwahrscheinlich, dass noch viele neue Anlagen entstehen. Das würde auch bedeuten, dass sich nicht noch mehr Mais auf den Feldern der Region ausbreitet - in den vergangenen drei Jahren hatte sich die Anbaufläche mehr als verdoppelt.

Hoher Getreidepreis und Baurecht bremsen Biogas-Boom / Landwirte verteidigen Zuwächse

(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 30.08.12)  Kreis Hildesheim. Der Biogas-Boom im Landkreis Hildesheim scheint sich dem Ende zuzuneigen. Der Landvolk-Vorsitzende Wolfgang Rühmkorf hält es für unwahrscheinlich, dass noch viele neue Anlagen entstehen. Das würde auch bedeuten, dass sich nicht noch mehr Mais auf den Feldern der Region ausbreitet - in den vergangenen drei Jahren hatte sich die Anbaufläche mehr als verdoppelt. Von "Vermaisung" könne jedoch noch längst keine Rede sein, finden die Landwirte.

24 Biogasanlagenstehen inzwischen im Landkreis. Sie produzieren jährlich rund 87,2 Millionen Kilowattstunden Strom und damit genug für rund 25000 Haushalte - aber dafür sind sie auch hungrig. Vor allem nach Mais. Der wächst inzwischen auf rund 8,9 Prozent der Ackerflächen im Landkreis Hildesheim in die Höhe - 2003 waren es gerade einmal 0,4 Prozent, selbst 2008 nur vier Prozent. Würde sich dieser Trend fortsetzen, würde es in der Region bald aussehen wie im Emsland, wo in manchen Landkreisen auf mehr als der Hälfte aller Äcker der Mais sprießt. Landesweit sind es derzeit rund 14 Prozent der Anbaufläche.

Doch mit so einer Entwicklung ist nicht zu rechnen, glaubt Wolfgang Rühmkorf, Landwirt aus Hotteln und Vorsitzender des Landvolks Hildesheim. Für ihn sprechen vor allem wirtschaftliche Gründe gegen den weiteren Ausbau - so wie diese vor acht Jahren dafür gesprochen hätten.

Folgt man seiner Argumentation, begann der Biogas-Boom um das Jahr 2004 unter ganz anderen Vorzeichen. Pro Tonne Weizen konnte der Bauer damals rund 90 Euro kassieren. "Zur Deckung der Kosten wären 120 bis 150 Euro nötig gewesen", erinnert sich Rühmkorf. Heute gibt es für die Tonne Weizen 240 Euro - ab 18 bis 20 Tonnen sind die Kosten gedeckt. "Für die hiesige Landwirtschaft ist Biogas daher uninteressanter geworden", stellt Rühmkorf fest. Langfristig spiele Biogas wohl eher zur "Stabilisierung" der Einkommen von Landwirten eine Rolle. Und nicht, wie noch vor einigen Jahren gedacht, als Haupteinnahmequelle.

Ein Effekt, den der Hottelner nicht anspricht, der aber auch manchen Bauplan ausbremsen dürfte: Wie bei Windrädern geht auch beim Biogas der Trend dahin, immer größere und leistungsstärkere Anlagen zu bauen, damit das Ganze rentabel wird. Inzwischen ist eine Größenordnung erreicht, bei der die Landwirte nicht mehr wie bisher in der Feldmark drauf los bauen können, weil das "privilegierte Baurecht" für landwirtschaftliche Anlagen sie schützt. Oberhalb bestimmter Kennzahlen ist eine Genehmigung vom Landkreis erforderlich - und die gibt es nicht automatisch, wie eine Investoren-Gruppe um den Adenser Hauke Lange im Frühjahr bei Gronau erfuhr. Die Kreisverwaltung schob dem Projekt - die Anlage sollte 6,4Millionen Kilowattstunden pro Jahr liefern - einen Riegel vor und begründete dies mit den Interessen des Landschafts- und Naturschutzes.

Dabei betrachtet Rühmkorf den zwischenzeitlichen Biogas-Boom durchaus als wirtschaftlichen Schub für die Region. Rund 75 Millionen Euro hätten Landwirte nach Berechnungen des Landvolks für Biogas investiert - "das meiste davon mit Hilfe heimischer Banken". Vielfach profitierten örtliche Handwerker von Aufträgen rund um die kleinen Kraftwerke. Zudem verkauften viele Betreiber auch Wärme an nahe Betriebe, Einrichtungen oder Wohngebiete: "Ein Beitrag zur dezentralen Energieversorgung."

Kritiker, vor allem aus dem Naturschutz, sehen den sprunghaften Anstieg des Maisanbaus trotzdem kritisch. Vögel wie der Kiebitz verlören dadurch Lebensräume, den Böden schade der Mais auch. Jäger wiederum beobachten mit der Ausbreitung der Kolben auch eine regelrechte Bevölkerungs-Explosion bei Wildschweinen, die sich zwischen den Pflanzen hervorragend verstecken können. Imker bangen, ihre Bienen könnten bald nicht mehr genug Blüten finden. Dass - wie in Schleswig-Holstein - durch den Maisanbau massiv Weideland für Milchkühe verloren geht, lässt sich auf diese Region zumindest nicht übertragen

Rühmkorf mag auch andere Sorgen lokal nicht teilen. Bei 30 Prozent Anbaufläche sieht er im Landkreis eine "gefühlte Grenze, für einige Jahre sogar 50 Prozent". Grundsätzlich sei die Region allerdings mehr auf Nahrungsmittel-Produktion ausgerichtet, so dass diese Werte kaum je erreicht würden. Sicher sei der Anteil allerdings in Gemeinden mit Biogasanlagen höher: "Bis zu 25 Prozent". Dafür lägen andere Kommunen weit unter dem Durchschnitt von 8,9. Möglicherweise entstehe durch die Höhe der Pflanzen ein anderer Eindruck. Tatsächlich: Wer beispielsweise von Hotteln nach Osten fährt, fühlt sich an der Einmündung zur Straße zwischen Bledeln und Algermissen wie in einem Tunnel.

Auch der Alfelder Kreislandwirt Thomas Stadler, der für seinen Betrieb einen Wert von sechs Prozent Mais anstrebt, sieht die Lage entspannt. "Niemand spricht ja von einer Verweizung", wundert er sich. Und betont: Die Qualitäts- Vorgaben für Backweizen seien so hoch, dass die Landwirte diesen intensiver mit Stickstoff düngen müssten als bei Mais. Für die Betriebe bringe der Mais zudem eher Entlastung und Entzerrung in der Spitze der Getreideernte. Stadler und Rühmkorf betrachten Mais sogar, zumindest im gegenwärtigen Ausmaß, als "Auflockerung der Fruchtfolge".

Der Biogas-Boom scheint also gestoppt. Allerdings: Sinkt der Getreidepreis noch einmal rapide, könnte er vielleicht doch einen neuen Aufschwung erleben.

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