Fall Siala: Bringt neues Gerichtsurteil die Wende?

Seit Jahren zweifelt der Flüchtlingsrat Niedersachsen den Eintrag in einem türkischen Personenstandsregister an, der 2001 zum Entzug der Aufenthaltserlaubnis von Ahmed Siala geführt hat, dessen schwangere Frau Gazale Salame im Februar 2005 in die Türkei abgeschoben wurde. Jetzt hat der Flüchtlingsrat neue Argumente vorgetragen, von denen er hofft, dass der Landkreis sich ihnen nicht verschließen kann - denn sie stammen vom Landkreis selbst.

Landkreis kündigt für nächste Woche eine Erklärung an - Inhalt unbekannt

(Quelle: KEHRWIEDER am Sonntag, 16.10.11) Von Lothar Veit  Hildesheim/Landkreis. Seit Jahren zweifelt der Flüchtlingsrat Niedersachsen den Eintrag in einem türkischen Personenstandsregister an, der 2001 zum Entzug der Aufenthaltserlaubnis von Ahmed Siala geführt hat, dessen schwangere Frau Gazale Salame im Februar 2005 in die Türkei abgeschoben wurde. Jetzt hat der Flüchtlingsrat neue Argumente vorgetragen, von denen er hofft, dass der Landkreis sich ihnen nicht verschließen kann - denn sie stammen vom Landkreis selbst.

Der Landkreis behauptet, dass der Vater von Ahmed Siala Türke sei und dies bei seiner Einreise nach Deutschland verschwiegen habe. Er stützt sich dabei auf einen türkischen Registerauszug, in dem auch ein angeblicher Bruder des Vaters aufgeführt ist. Zuletzt hatte ein DNAGutachten ergeben, dass es sich bei den beiden nicht um Brüder handelt. Nun hat das Landgericht Bückeburg in einem Urteil vom 13. September festgestellt, dass besagter Registerauszug auch sonst "nicht verlässlich" sei. Der angebliche Bruder von Ahmed Sialas Vater wurde deshalb vom Vorwurf der Identitätstäuschung freigesprochen. "Diese Entscheidung lässt sich bruchlos auf Ahmed Siala und seinen Vater übertragen", sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat.

Als Weber die Urteilsbegründung las, habe er sich ungläubig die Augen gerieben, berichtete er gestern bei einer erneuten Demonstration für die Rückkehr von Gazale Salame. Denn das Gericht stützte sich bei seiner Entscheidung maßgeblich auf die Aussage des "glaubhaften Zeugen" Jürgen Kalmbach, der in der Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim die Verfahren von Ahmed Siala und Gazale Salame bearbeitet. Kalmbach war im März 2001 – dem Jahr, in dem Siala die Aufenthaltserlaubnis entzogen wurde – im Auftrag des Innenministeriums gemeinsam mit einem Rechtsanwalt aus Hannover im Libanon und in der Türkei, um das Zustandekommen der Registereinträge zu prüfen. Dabei habe er unter anderem festgestellt, dass die im Libanon oder im Ausland lebenden Familien in der Regel keine Kenntnis davon hatten, dass sie in türkische Register eingetragen worden seien. Dies hätten Schulleiter oder Standesbeamte ohne deren Kenntnis tun können. Aufgrund der Gleichartigkeit der Namen seien zudem Verwechslungen möglich. Insgesamt habe er "komische Sachen" im Hinblick auf die Registrierung erlebt, zitieren die Bückeburger Richter den Zeugen Kalmbach – und kommen zu dem Schluss, dass dem Angeklagten keine türkische Staatsangehörigkeit und somit auch keine Identitätstäuschung nachgewiesen werden kann. Der Landkreis äußert sich zu diesem Widerspruch nicht, er wiegelt zurzeit alle Anfragen ab. Am Mittwoch war Landrat Reiner Wegner zu einem Gespräch im Innenministerium. Dazu soll es Mitte oder Ende nächster Woche eine mit dem Ministerium abgestimmte Presseerklärung geben, heißt es aus dem Kreishaus.

Die Redner bei der gestrigen Demonstration forderten Wegner erneut auf, das Familiendrama zu beenden. Die Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer (Grüne) nannte das Verhalten des Innenministeriums und des Landrates "skandalös". Jutta Rübke, Hildesheimer SPD-Chefin, ließ einen Brief verlesen, in dem sie auf ihre Äußerung Bezug nahm, Wegner solle sich an seine sozialdemokratischen Wurzeln erinnern. "Ich habe nicht gesagt, Sie haben diese Wurzeln nicht, aber sie sind zurzeit nicht sichtbar", so Rübke.

Auch Kai Weber nahm Bezug auf eine frühere Äußerung. Er hatte dem Landrat eine "völkisch-rassistische Argumentation" vorgeworfen. Er sei missverstanden worden, sagte Weber. So habe er den Landrat nicht in die Nähe des Nationalsozialismus rücken wollen. Wer aber jemandem nach 26-jährigem Aufenthalt in Deutschland mit Verweis auf die angebliche Abstammung der Vorfahren ein Bleiberecht verweigere, argumentiere völkisch-rassistisch.

Caritas-Vorstand Dr. John Coughlan als Vertreter der beiden christlichen Kirchen wandte sich an Leserbriefschreiber, die Ahmed Siala die Ausreise zu seiner Frau in die Türkei nahelegen. "Soll Ahmed Siala einen Behördenfehler ausgleichen? Darf er das seinen beiden Töchtern antun, darf er sie zu Flüchtlingen machen?", fragte Coughlan. "Kein vernünftiger Mensch kann das glauben."

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