Gazale Salame darf ihre Familie nicht wiedersehen

Die vor sieben Jahren in die Türkei abgeschobene Gazale Salame hat erneut kein Besuchervisum erhalten. Das Auswärtige Amt habe einen entsprechenden Antrag auf ein dreimonatiges Touristenvisum abgelehnt.

Auswärtiges Amt lehnt Besuchervisum erneut ab/Soziologe: Abschiebungen der Landesregierung verstoßen gegen UN-Kinderrechtskonvention

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 24.05.12) Kreis Hildesheim. Die vor sieben Jahren in die Türkei abgeschobene Gazale Salame hat erneut kein Besuchervisum erhalten. Das Auswärtige Amt habe einen entsprechenden Antrag auf ein dreimonatiges Touristenvisum abgelehnt, sagte gestern der Vorsitzende des niedersächsischen Flüchtlingsrates, Kai Weber. Salames Ehemann Ahmed Siala, der mit den beiden Töchtern Amina und Nura bei Schellerten lebt, ist verzweifelt. "Wir haben so gehofft, dass sie uns wenigstens besuchen darf", sagte er gestern.

Es hatte alles nichts genutzt. Obwohl ein großer Kreis von Unterstützern der Familie sämtliche Forderungen des Auswärtigen Amtes erfüllte, verweigerte die Behörde der 31-jährigen Gazale Salame ein dreimonatiges Touristenvisum. "Es lag eine Bürgschaftserklärung der Unterstützer vor, dass sämtliche Kosten übernommen werden", sagte Weber am Rande einer Pressekonferenz in Hannover. Sogar die Flugtickets für Salame und ihre beiden in der Türkei aufgewachsenen Kinder waren gebucht. "Diese Entscheidung ist ein Schlag in die Magengrube", sagte Weber. Es war bereits der dritte Versuch der Kurdin, ihre Familie in der Gemeinde Schellerten zu besuchen. Das AuswärtigeAmt gab gestern keine Erklärung zu dem Fall ab.

Das ewige Hoffen und Bangen zermürbt die auseinandergerissene Familie. Sie hat sich seit sieben Jahren nicht mehr gesehen. Die einzige Verbindung ist das Telefon. "Wir entfremden uns", sagt die 15-Jährige Amina. "Meine Mutter hat nicht erlebt, wie ich aufgewachsen bin, weiß nicht, was für Farben oder welches Essen ich mag. "Warum trampelt man so auf dem Rücken einer Familie herum, die niemandem etwas getan hat?", fragt Ahmed Siala.

Fälle wie diese sind es, die den renommierten Soziologen Professor Lothar Krappmann zweifeln lassen, dass die Menschenrechte, gerade von Kindern, in Deutschland gewahrt sind. "Skandalös" seien die Praktiken der Ausländerbehörden vor allem in Niedersachsen. "Die Landesregierung verstößt eklatant gegen die UN-Kinderrechtskonvention", sagt Krappmann, der auf Einladung des Flüchtlingsrates an dem Termin in Hannover teilnahm.

Der 75-Jährige war Vorsitzender der Sachverständigenkommission zur Erarbeitung des 10. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung und ist ein international anerkannter Forscher im Bereich Kindheit und Kinderpolitik. Im Februar 2003 war er als eines von 13 Mitgliedern in den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes gewählt worden.

Niedersachsen breche mehrfach mit der UN-Konvention, die von der Bundesregierung 1992 ratifiziert worden sei. Landesbehörden trennten Kinder von ihren Eltern, schöben sie in Länder ab, die sie nie gesehen hätten und deren Sprache sie nicht beherrschten, behandelten Kinder wie Anhängsel ihrer Eltern ohne eigene Rechte. "Das sind krasse Verstöße gegen die Kinderrechts-Charta", sagt Krappmann. Er kündigte eine Beschwerde über die niedersächsischen Abschiebepraktiken in einem Petitionsausschuss der Vereinten Nationen an.

Ein weiteres Beispiel für die"menschenverachtenden Abschiebungen in Niedersachsen" sei der Fall der Familie Naso aus Giesen, sagt Kai Weber. Der 63-jährige Bedir Naso und sein 16 Jahre alter Sohn Anuar waren am 1. Februar 2011 nach Syrien abgeschoben worden. "Sie wurden dort schwer misshandelt", sagt Anuars Schwester Schana. Nach Fluchtversuchen sitzt der Vater jetzt in Bulgarien im Gefängnis, Anuar lebt in einem Asylantenheim. "Sein größter Wunsch ist es, wieder in Hildesheim zur Schule gehen zu dürfen", sagt Schana Naso.

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