Wütender Widerstand gegen Mega-Masten

Der Streit um die Mega- Masten wird immer heftiger. 100 Zuhörer und Vertreter der Bürgerinitiativen (BI), die gegen eine neue Freileitung in der Region sind, diskutierten jetzt zum Auftakt einiger Infoabende mit Netzbetreiber Transpower.

Netzbetreiber Transpower schlägt in Bockenem große Empörung entgegen / Auftakt mehrerer Diskussionsabende in der Region Hildesheim

(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 17.06.10) Bockenem. Der Streit um die Mega- Masten wird immer heftiger. 100 Zuhörer und Vertreter der Bürgerinitiativen (BI), die gegen eine neue Freileitung in der Region sind, diskutierten jetzt zum Auftakt einiger Infoabende mit Netzbetreiber Transpower. Mit der Trasse, die 2013 fertig sein soll, müssen voraussichtlich Tausende Menschen im Raum Baddeckenstedt, Holle, Bockenem, Lamspringe und Freden leben.

Dicht gedrängt sitzen sie im stickigen Saal des Bockenemer Wirtshauses. Die Menschen tragen T-Shirts mit den Slogans ihrer Initiativen, einige haben Transparente dabei. Erwartungsvoll hören sie, was die Firma Transpower zu berichten hat. Doch wie befürchtet, gibt es keine gute Nachrichten. Und was viele besonders ärgert: Für Transpower kommen aus Kostengründen und gesetzlichen Zwängen Erdkabel lediglich auf kurzen Abschnitten in Frage, so dass die Leitung offenbar zum Großteil aus den bis zu 60 Meter hohen Mega-Masten bestehen wird.

Transpower favorisiert inzwischen eine von fünf Trassen, die sich von Baddeckeckenstedt über Holle, den Ambergau, Lamspringe bis ins Leinetal windet. Die etwa 70 Kilometer lange Variante birgt möglichst wenig Konfliktpotenzial, meint der Netzbetreiber. Aber auch diese Strecke löst massive Proteste im Hildesheimer Land aus. Ob Wertverfall von Immobilien, eine verschandelte Umwelt, zerschnittene Naturschutzgebiete oder Schadstoffe, die krank machen: Die Kritiker haben viele Geschütze, die sie gegen das laut Transpower unverzichtbare Millionen- Projekt auffahren.

Doch die Bedenken scheinen die Betreiberfirma, die sich per Gesetz zum Bau der Trasse verpflichtet sieht, kaum zu beeindrucken. "Es ist traurig, dass die Bürger keine Chance haben, sich mit Einwänden an den Plänen ernsthaft zu beteiligen. Ihre Bedenken werden nicht berücksichtigt. Wir können nur noch Druck auf die Politik machen", schimpfte ein Zuhörer beim Diskussionsabend in Bockenem.

Zwar haben manche der Bürger, die seit Bekanntwerden des Vorhabens vor dreieinhalb Jahren Gegenargumente sammeln, allmählich den Eindruck, sich möglicherweise vergebens gegen das Projekt zu stemmen. Doch wollen sie ihren Kampf nicht aufgeben. "Sie haben kein Recht, unsere Umwelt zu zerstören", attackierte einer von ihnen Transpower-Sprecher Dr. Christian Schneller, der in Bockenem kaum Zugang zu den Bürgern fand.

Seine Erklärungen, dass Erdkabel um viele Millionen Euro teurer sowie bei Schäden weitaus aufwendiger als Freileitungen zu reparieren seien, können viele nicht mehr hören. "Wir kommen auf keinen gemeinsamen Nenner", schlug es Schneller nach mehr als zwei Stunden fruchtloser Debatte entgegen.

Zumal dieser auf etliche Fragen Antworten schuldig blieb. So etwa sorgte sich Günter Hamker aus Mahlum, ob jemand, der auf einen Herzschrittmacher angewiesen ist, unbesorgt unter einer Höchstspannungsleitung hindurch gehen könne. "Oder liegt man da gleich flach?" Doch Transpower sieht keine Gefahr. "Das sollte kein Problem sein", antwortete Schneller wörtlich. Auch zu einem weiteren Einwand, dass die Strahlung der Freileitung GPS-Empfänger von Rübenrodern durcheinander bringt, konnte er nichts Näheres sagen. Von derlei Störungen sei ihm "nichts bekannt".

Doch gerade die Emissionen der Freileitung, so genannter Elektrosmog, lösen Ängste aus. "Leukämieerkrankungen von Menschen, die in der Nähe von Freileitungen wohnen, sind laut Studien auf solche Strahlen zurückzuführen", bangte eine Zuhörerin. Solche Bedenken suchte die Raumordnungsbehörde, die in den kommenden Monaten die Argumente der Trassengegner abwägt, in Bockenem zu zerstreuen. Dass Stromleitungen Leukämie verursachten, sei laut dem Bundesamt für Strahlenschutz "nicht erkennbar", so Astrid Worch von der Regierungsvertretung Braunschweig.

Worch und einer Handvoll weiteren Mitarbeitern in Hannover steht offenbar bald eine Flut von Einsprüchen bevor. Sie zeigte sich dennoch optimistisch, den Ansturm bewältigen zu können. Doch das nahm ihr niemand ab.

Auch auf die Kommunen rollt offenkundig geradezu eine Lawine von Widersprüchen zu – bis zum 27. August können Bürger Stellungnahmen abgeben. Für Bockenems Bürgermeister Martin Bartölke, der ebenfalls an dem Diskussionsabend teilnahm, steht deshalb eine Fristverlängerung zur Debatte.

Die verbliebenen Wochen dürften zahlreiche Bürger nutzen. Daran gibt es für Guido Franke von der Bürgerinitiative Südkreis keinen Zweifel. "Sie werden überall auf Widerstand stoßen", wetterte auch Reinhard Schaare von der BI Innerstetal in Richtung Transnorm.

Das Unternehmen wird ohnehin große Schwierigkeiten bekommen, seine favorisierte Trasse 2 möglichst "konfliktfrei" durchzusetzen. "Sie haben jegliches Vertrauen der Bürger verspielt", watschte Frank Ebbighausen von der BI "Der Ambergau wehrt sich" Transpower ab.

 

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