"Das war kein Heldenstück"

Die Mitglieder des Kreistages haben am Montag dem Finanzvertrag mit der Stadt Hildesheim zugestimmt - viele "mit geballter Faust in der Tasche", wie es CDU-Fraktionschef Christian Berndt formulierte.

16.10.11 –

Kreistag stimmt Finanzvertrag mehrheitlich zu - und fordert mehr Zusammenarbeit der Verwaltungen

(Quelle: KEHRWIEDER am Sonntag, 16.10.11) Von Lothar Veit Landkreis. Die Mitglieder des Kreistages haben am Montag dem Finanzvertrag mit der Stadt Hildesheim zugestimmt - viele "mit geballter Faust in der Tasche", wie es CDU-Fraktionschef Christian Berndt formulierte. Genau genommen stimmten sie zunächst über "Eckpunkte" zum Finanzvertrag ab. Die genauen vertraglichen Details müssen nun noch erarbeitet und dem Kreistag erneut vorgelegt werden. Die Abgeordneten gingen vor allem mit der Stadt-, aber auch mit der Kreisverwaltung hart ins Gericht. Vereinzelt übten sie Selbstkritik. Wie berichtet, führt der Vertrag dazu, dass die Stadt im kommenden Jahr um 16 Millionen Euro entlastet wird (siehe auch Artikel oben). Der Kreishaushalt wird mit zehn Millionen Euro belastet, der Restbetrag kommt vom Bund, der künftig schrittweise die Sozialhilfekosten für Rentner übernimmt.

Dr. Bernhard Evers (CDU) erinnerte daran, dass die Politik den Verwaltungen vor zwei Jahren den "glasklaren Auftrag" gegeben habe, ihre Strukturen anzupassen, Synergien zu heben und Doppelarbeit zu beenden. Davon sei in dem Eckpunkte-Papier nichts zu sehen. Der Kreistag komme zwar nicht umhin, diesem zunächst zuzustimmen, "aber es sind weitere gemeinsame Kraftanstrengungen nötig", so Evers. Um dem Nachdruck zu verleihen, hatten die Fraktionen in Stadt und Kreis einen gemeinsamen Zusatzantrag auf den Weg gebracht. Dieser besagt, dass die eigens für die Finanzvertrags-Verhandlungen gebildete Lenkungsgruppe weiterhin tagen soll und von den Verwaltungen regelmäßig informiert wird, welche gemeinsamen Einsparmöglichkeiten noch genutzt werden können.

"Politisches Controlling" nannte dies Klaus Bruer, bisheriger SPDSprecher für Finanzen und künftiger Fraktionschef. Der Sozialdemokrat brachte ein Beispiel, das aus seiner Sicht die Ignoranz der Stadt zeige. So habe die Verwaltung das Angebot des Kreises abgelehnt, das städtische Umweltamt zu übernehmen. Dadurch hätte das Personal um sechs Stellen reduziert werden können, laut Bruer wäre eine jährliche Ersparnis von rund 300.000 Euro möglich gewesen. "Eine solche Ignoranz wird sich die Stadt Hildesheim in Zukunft nicht mehr erlauben können", so Bruer. "Die anderen Kommunen im Landkreis müssten dies durch ihre Kreisumlage bezahlen."

Der SPD-Mann räumte jedoch ein, dass die Forderungen der Stadt offenbar nicht unberechtigt seien. Am Anfang der Debatte seien die Kreisvertreter vom Gegenteil überzeugt gewesen. Eine Organisationsuntersuchung der Stadtverwaltung durch den Landkreis habe die Wende gebracht: "Es dämmerte uns, dass seit den Hartz-IV-Gesetzen tatsächlich ein Ungleichgewicht zu Ungunsten der Stadt eingetreten war."

Auch Grünen-Fraktionschef Holger Schröter-Mallohn gab sich selbstkritisch: Am Anfang habe es so ausgesehen, als müsse man die Stadt bemitleiden, weil sie keine Ahnung vom Konsolidieren habe. "Das war ein bisschen Hochmut vor dem Fall", sagte der Grüne. Nun habe man keine andere Chance, als dem Eckpunkte- Papier zuzustimmen.

Christian Berndt (CDU) sagte, er fühle eine gewisse Ohnmacht angesichts der "völlig unzureichenden Vorlage". Mit Bezug auf die Laufzeit der Vereinbarung bis Ende 2013 forderte er einen neuen, langfristigen Vertrag, in dem Synergien deutlich werden. "Nach zweieinhalb Jahren ist das Durchgewurschtel nicht mehr möglich." Berndt schloss mit einem Zitat aus "Wallensteins Tod" von Schiller: "Das war kein Heldenstück".

Winfried Schirm (FDP) blickte kritisch auf den Lenkungsausschuss zurück: "Es war wenig Lenken." Vielmehr habe er erlebt, "wie sich zwei hochspezialisierte Verwaltungen mit ihren Zahlen in Stellung bringen". Vor allem der Stadtverwaltung warf er "Selbsterhaltung durch Intransparenz und Verschleppung" vor.

Volker Hehenkamp (Bündnis) und Kurt Rodewald (CDU) begründeten jeweils, warum sie dem Vertrag nicht zustimmen können. Für Rodewald war es die letzte Sitzung. "Ich mache seit 1972 Kommunalpolitik und habe mich noch nie so unter Druck gefühlt wie heute", sagte er. "Die Gemeinde Nordstemmen hat auch 30 Millionen Euro Schulden, wer hilft uns denn?" Vier Abgeordnete stimmten schließlich gegen den Finanzvertrag, zwei enthielten sich der Stimme.

Landrat Reiner Wegner gab die Kritik teilweise an den Kreistag zurück. "Ich habe immer darauf hingewiesen, dass solche komplizierten Verhandlungen nicht in der Zeit möglich sind, wie Sie sich das vorgestellt haben." Wäre jetzt keine Einigung zustande gekommen, hätte man sich mit der Stadt vor Gericht gesehen. "Als Richter weiß ich, was man uns vorgeschlagen hätte: einen Vergleich. Das Ergebnis wäre das gleiche gewesen, nur viele Jahre später."

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