Finanzdebakel: Alleingänge in Verwaltung

Der Rat und der Bund der Steuerzahler haben eine lückenlose Aufklärung zum Millionenverlust der Stadt beim Einsatz von zwei Derivaten gefordert. Kämmerin Antje Kuhne hat die Fakten am Mittwochabend im Finanzausschuss vorgelegt. Ihre Erklärungen hinterließen bei den Ratsmitglieder Ärger, Frust und Enttäuschung.

02.09.11 –

Politik scheint über riskante Finanzgeschäfte aus 2006/07 nicht informiert gewesen zu sein / Millionenverlust

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 02.09.11) Hildesheim. Der Rat und der Bund der Steuerzahler haben eine lückenlose Aufklärung zum Millionenverlust der Stadt beim Einsatz von zwei Derivaten gefordert. Kämmerin Antje Kuhne hat die Fakten am Mittwochabend im Finanzausschuss vorgelegt. Ihre Erklärungen hinterließen bei den Ratsmitglieder Ärger, Frust und Enttäuschung.

Das Unbehagen war Kuhne in öffentlicher Sitzung deutlich anzumerken. Auf der einen Seite wollte sie ihre Vorgänger Dr. Hans-Günter Krane und Übergangs-Kämmerer Horst Nordmann nicht in die Pfanne hauen. Anderseits wollte sie die Sache aufklären. Schonungslos legte sie dann alle Fakten offen, zeigte Fehler auf, stellte sich aber in Einzelfragen auch hinter das Handeln ihrer Vorgänger.

Das Protokoll des Finanzdesasters: Im Januar 2005 stellt der Rat der Verwaltung eine Generalvollmacht zum Einsatz von Derivaten aus. Verbunden damit ist eine jährliche Berichtspflicht an den Rat. Begründet wird die Entscheidung mit dem Hinweis, dass Zinskonditionen bei so genannten Swapgeschäften jeweils maximal 24 Stunden gelten, dem Rat die Entscheidungen aus Zeitgründen deshalb nicht vorgelegt werden können.

Am 19. Januar 2006 kommt es zum ersten der beiden verhängnisvollen Vertragsabschlüsse. Zwei Monate später am 23. März folgt Vertrag Nummer zwei. Die Abschlüsse fallen damit in die Übergangszeit von Oberstadtdirektor Dr. Konrad Deufel auf Oberbürgermeister Kurt Machens zum 1. Februar 2006. Vollzogen hat die zwei "Ladderswaps" mit der Commerzbank der damalige Kämmerer Dr. Hans-Günter Krane. Der entscheidende Faktor laut Kuhne zu dem Vorgang: "Eine Information an die Gremien oder an den Oberbürgermeister ist nicht aktenkundig." Der Ausschuss quittierte diese Aussage mit kräftigem Grummeln.

Im Mai 2006 überträgt der Rat dem OB die Zuständigkeit für Zinsgeschäfte. Machens schließt per Richtlinie den Neuabschluss von Zinsderivaten aus. Im März 2007 warnt die Commerzbank von sich aus die Stadt vor ihrem Produkt, weil es sich in eine unwirtschaftliche Richtung entwickele. Kuhne: "Das war Schadensbegrenzung durch die Commerzbank."

Da die Finanzdezernentin ihren Dienst erst vier Monate später zum 1. Juli 2007 antrat, strukturierte der damalige Übergangskämmerer Horst Nordmann beide Derivate in "Dual Range Accrual" um. Besagte zwei Papiere bescheren der Stadt jetzt das Millionenminus.

"Der zu erwartende Schaden wäre nach damaliger Einschätzung der Commerzbank ohne eine Umstrukturierung vermutlich um ein Vielfaches höher ausgefallen", betonte Kuhne im Ausschuss. "Zur Ehrenrettung" Nordmanns erklärte sie, dass ihr Vorgänger damit noch viel höhere Finanzrisiken verhindert habe.

2009 habe der OB seine Verwaltung schriftlich angewiesen, dass der Einsatz von Derivaten seiner vorherigen Zustimmung bedürfe. Zum Einsatz dieser Finanzgeschäfte vertrat Kuhne klar Position: "Der Einsatz als Zinssicherungsinstrument ist sinnvoll. Sie nicht zu nutzen, wäre grob fahrlässig. Wir dürfen, müssen und werden auch künftig mit einfachen Zinsderivaten arbeiten." Mit Spekulationen habe das aber nichts zu tun.

Derzeit verfüge die Stadt über 24 Verträge dieser Art. Nur zwei davon seien "fehlerhaft umgesetzt" worden. Ansonsten profitiere die Stadt davon. Wie Kuhne erklärte, habe sie 2009 ein Schuldenmanagement aufgebaut. Durch Fortbildungen verfüge die Kämmerei seither über das erforderliche Spezialfachwissen, um ähnliche Fehlentwicklungen zu vermeiden.

Der Ausschuss zeigte sich verärgert über die mangelhafte Information der Verwaltung in 2006/07. Einige Ratsherren räumten aber ein, dass sie fachlich nur schwer in der Lage gewesen wären, die Risiken zu erkennen. Es sei Aufgabe der Verwaltung, dies deutlich zu machen.

Die Stadt soll sich jetzt von dritter Stelle die für sie günstigste Lösung berechnen lassen. So kann sich die Stadt von den strittigen Derivaten durch eine Sonderzahlung von rund einer Million Euro trennen oder sie bis zum Vertragsende 2015 weiterlaufen lassen.

Bleibt das Zinsniveau, wäre der Verlust ähnlich groß. Es geht um ein Kreditvolumen von rund 3,5 Millionen Euro. Die Entscheidung soll voraussichtlich in einer Sondersitzung des Rates zum Finanzvertrag mit dem Landkreis am 19. September fallen.

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