Gerüche werden genau protokolliert

Den Leuten stinkt es gewaltig. Sie sehen ihre Lebensqualität und Gesundheit durch den Schweinemastbetrieb zwischen Söhre und Diekholzen deutlich beeinträchtigt. Experten befürchten zudem Gefahren für die Natur.

17.09.10 –

Barienrode: Viele Besucher bei Info-Abend "Schweinemaststall" / Klagen gegen Landkreis

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 17.09.10) Barienrode. Den Leuten stinkt es gewaltig. Sie sehen ihre Lebensqualität und Gesundheit durch den Schweinemastbetrieb zwischen Söhre und Diekholzen deutlich beeinträchtigt. Experten befürchten zudem Gefahren für die Natur.

Rüdiger Vollenbroich wohnt nur 700 Meter vom Stall entfernt. Er klagt bereits jetzt über gesundheitliche Probleme, die er dem Landrat angezeigt hat. Ein Arzt hatte ihm Beschwerden der oberen Luftwege durch Ammoniak attestiert. Eine Antwort vom zuständigen Amt steht nach neun Monaten immer noch aus. "Wer sich zuerst beim Landkreis bewegt – der verliert", meinte er nur. Auch er drängt auf den Einbau einer wirksamen Filteranlage, die nach seinen Recherchen etwa mit 120 000 Euro zu Buche schlägt.

Wie sehr das Thema "Schweinemaststall" den Bürgern auf den Nägeln brennt, zeigt die Resonanz der Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative "Gute Luft" mit mehr 100 Besuchern. "Wichtig ist, gemeinsam zu arbeiten in Barienrode, Söhre und Diekholzen", hatte Richard Bruns auf das Thema einstimmt.

Der BI ging es an dem Abend vor allem darum, die Besucher über den Stand der beiden Klagen gegen den Landkreis zu informieren, die zusammen mit dem BUND eingereicht worden sind.

Seit mehr als einem Jahr läuft beim Verwaltungsgericht eine Auskunftsklage. Grund: Die BI vermutet in dem für die Genehmigung zugrunde liegenden Emissionsprognosegutachten Fehler. Die Mitstreiter in der Bürgerinitiative wollen eine explizierte fachliche Prüfung dieses Gutachtens vornehmen. Bislang sperrt sich der Landkreis aber dagegen, die Akte zur Verfügung zu stellen.

"Viele Unklarheiten sind zu klären", betont Gerhard Klaaßen, der Sprecher der BI. Im November 2009 wurde zudem Klage gegen die Genehmigung des Schweinemastbetriebes (mit 1872 Jungsauen) in der vorliegenden Fassung eingereicht. "Aus dem Stall kommt nicht nur Geruch, sondern auch Schadstoffe wie Ammoniak werden freigesetzt", berichtete Matthias Köhler, Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe.

"Allein mit dem unangenehmen Geruch lässt sich vor Gericht noch nicht viel anfangen", sagte der Vorsitzende. Durch zu viel Ammoniak übersäuere der Boden. Konkret sprach Matthias Köhler das Naturschutzgebiet der Schwarzen Heide mit dem Halbtrockenrasen an. Betroffen seien auch wertvolle Fischarten wie das Bachneunauge und die Groppe in der Beuster, die als besonders schutzwürdig gelten. "Wir wollen erreichen, dass die Genehmigung überprüft wird. Eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung muss ebenso erfolgen", fordert er.

Die BI fordert den Einbau von wirkungsvollen Filtern in den sechs Abluftkaminen. Moniert wird auch die Abdeckung des Güllebehälters, die nach Feststellungen der BI derzeit noch fehlt. Durch den Behälter werde immerhin rund 50 Prozent der Gesamtemission des Stalls ausgestoßen. Durch die vom Landkreis – als zuständige Genehmigungsbehörde – bisher unterbliebenen Aufl agen könnten jedoch 80 Prozent der Emissionen vermieden werden. Dies würde die Produktionskosten pro Schwein zwar um etwa 2,50 Euro erhöhen, entspreche aber lediglich knapp zwei Prozent mehr für den Verbraucher an der Fleischtheke.

BI-Mitstreiterin Barbara Klaaßen sprach eine mögliche gesundheitliche Schädigung der Menschen an. In der Abluft enthaltener Stallstaub transportiere Keime, Viren, Pilze und Bakterien nach draußen und könne so Infektionen, Allergien und Atembeschwerden auslösen. Der vorbeugende Einsatz von Antibiotika führe zur Entwicklung antibiotika-resistenter Bakterien, die durch die Luft oder durch Tröpfchen auf die Menschen übertragen werden können.

Aber auch ein anderer Punkt bereitet den Menschen Sorgen. Die vom Mastbetrieb ausgehenden Geruchs-, Gesundheits- und Naturbelastungen könnten in der Summe zu erheblichen Wertverlusten der Immobilien führen. "Einen Erfolg in dieser Sache können wir nur gemeinsam erreichen durch die Zusammenarbeit mit dem BUND, mit den Bürgern und durch eine Vernetzung mit anderen Bürgerinitiativen", sagte Gerhard Klaaßen.

Ein wichtiger Punkt dürften wohl auch die Geruchsprotokolle darstellen, die von den Bürgern angefertigt werden. Der Barienroder Theo Köhler sammelt die Bögen. Er rief die Bürger zur Mithilfe auf. Aber schon jetzt würden die Zahlen die Situation verdeutlichen. "Von 184 Tagen zwischen März bis August hat es an 167 gestunken", sagte Theo Köhler. Damit sei ein zumutbarer Zeitraum von 15 Prozent Geruchsbelästigung weit überschritten. Derzeit sind zwölf Protokollführer am Start. Formulare können unter Telefon 051 21/9 22 62 54 angefordert werden.

In der anschließenden lebhaften Diskussion machten mehrere Betroffene vor allem aus dem Barienroder Neubaugebiet ihrem Ärger Luft: Über den Gestank gerade an den lauen Sommerabenden, der die Lebensqualität erheblich beeinträchtige. Auch überregional dürfte der Maststall bald Schlagzeilen machen. Ein Team des NDR-Fernsehens war vor Ort, um in der Sendung "Hallo Niedersachsen" über die Ängste der Menschen zu berichten.

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