Landkreis schiebt Vater und Sohn aus Giesen nach Syrien ab

Der Landkreis Hildesheim hat am Dienstag einen Familienvater und seinen Sohn aus Giesen nach Syrien abgeschoben. Auch die Ehefrau sollte abgeschoben werden, sie erlitt allerdings am Flughafen in Frankfurt einen Schwächeanfall und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Zurück in Giesen blieb die 18-jährige Tochter.

06.02.11 –

(Quelle: KEHRWIEDER am Sonntag, 06.02.11) Giesen. Der Landkreis Hildesheim hat am Dienstag einen Familienvater und seinen Sohn aus Giesen nach Syrien abgeschoben. Auch die Ehefrau sollte abgeschoben werden, sie erlitt allerdings am Flughafen in Frankfurt einen Schwächeanfall und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Zurück in Giesen blieb die 18-jährige Tochter. Es ist wie so oft: Der Landkreis will nach Recht und Gesetz gehandelt haben, Freunde, Politiker und der Niedersächsische Flüchtlingsrat sind dagegen entsetzt. "Ich bin fassungslos", sagte Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, dem KEHRWIEDER. "Nach der Abschiebung von Gazale Salame hätte ich nicht gedacht, dass so etwas noch einmal passiert."

Das "überfallartige Vorgehen" des Landkreises nennt Weber empörend. "Der Landrat hat nach der Abschiebung von Gazale Salame öffentlich versprochen, keine Abschiebungen mehr unter Inkaufnahme von Familientrennungen durchzuführen." Syrien sei zudem "ein Folterstaat, der berüchtigt ist für seine willkürliche und unberechenbare Machtausübung". Nach Aussagen der Familie befinden sich Vater und Sohn seit ihrer Ankunft in Syrien in Haft.

Der Landkreis gibt als Begründung an, dass die Mutter gegenüber den Behörden über mehrere Jahre ihre wahre Identität verschwiegen habe. Die Familie sei im Dezember 2001 nach Deutschland eingereist und habe Asyl beantragt. Sie habe seitdem von Sozialhilfe gelebt. Im September 2004 sei der Asylantrag abgelehnt worden. Da die Familie keine Pässe hatte, konnte sie nicht abgeschoben werden und erhielt zunächst Duldungen und dann Aufenthaltserlaubnisse. Im Jahr 2007 habe sich dann laut Ausländerbehörde herausgestellt, dass die Frau falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht habe und die syrische Staatsbürgerschaft besitze. Der Aufforderung, sich Heimreisepapiere zu besorgen, sei die Familie nicht nachgekommen. Im März 2009 habe der Landkreis die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse abgelehnt und die Abschiebung angedroht. Nach Inkrafttreten des Deutsch-Syrischen Rücknahmeabkommens sei die Familie zur "Rückführung" nach Syrien angemeldet worden. Besagtes Abkommen ist derzeit im Bundestag hoch umstritten. Während CDU und FDP die Vereinbarung am vorigen Freitag im Ausschuss für Menschenrechte verteidigten, gab es scharfe Kritik von Linken, Grünen und Sozialdemokraten. "Wenn wir Menschen in dieses Land zurückschicken, hat das mit Menschenrechtspolitik in Deutschland nichts mehr zu tun", so die SPD-Fraktion.

Der Landkreis habe weiter geprüft, ob dem Sohn – gemäß eines neuen Erlasses des Niedersächsischen Innenministeriums – als gut integriertem Jugendlichen eine Aufenthaltsperspektive eröffnet werden könnte. Eine Stellungnahme der Schule und ein bei der Staatsanwaltschaft anhängiges Ermittlungsverfahren habe aber dagegen gesprochen, so der Landkreis. Dies habe das Verwaltungsgericht Hannover in einem gegen die Abschiebung angestrengtes Eilverfahren bestätigt.

Der Flüchtlingsrat hält das für "perfide und bösartig". Der Jugendliche habe keine Gelegenheit gehabt, selbst Stellung zu beziehen, seine Versetzung in der Hauptschule sei nicht gefährdet gewesen. Zudem seien Ermittlungen noch kein Beleg für eine Straffälligkeit. Für den morgigen Montag kündigte Kai Weber eine Demonstration an. Um 11 Uhr ist Treffpunkt am Bahnhofsvorplatz in Hildesheim, von dort soll es zum Kreishaus gehen.

Die Kreistagsfraktion der Grünen kündigte an, die Abschiebung im nächsten Ausschuss für Sicherheit und Ordnung am 24. Februar zu thematisieren. "Es sind eine Menge Fragen offen", so die stellvertretende Fraktionschefin Karin Loos.

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