Retter sehen Rettung in Gefahr

Ihr Frust war nicht zu überhören: Mit Blaulicht und laut pfeifend haben etwa 200 Retter am Sonnabend ihre Wut über die Neuvergabe der Rettungsdienste in Stadt und Landkreis gezeigt.

30.05.11 –

Johanniter, Malteser und DRK protestieren mit Autokorso gegen Neuverteilung / "Wir sind keine Sklaven"

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 30.05.11) Hildesheim. Ihr Frust war nicht zu überhören: Mit Blaulicht und laut pfeifend haben etwa 200 Retter am Sonnabend ihre Wut über die Neuvergabe der Rettungsdienste in Stadt und Landkreis gezeigt. Der Demonstrationszug mit 30 Rettungswagen startete am Schützenplatz und endete auf der Lilie. An vielen Wagen hingen Totenschleifen, mittendrin zog ein Traktor einen Anhänger mit zwei Holzsärgen und Flaggen der Johanniter. "Das Ehrenamt vor dem Aus!" stand dort in großen Lettern geschrieben. Neben Mitgliedern der Johanniter Unfallhilfe (JUH) protestierten auch Vertreter des Malteser Hilfsdienstes und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). "Es gibt ein gutes Zusammengehörigkeitsgefühl", sagte ein Johanniter. "Die momentane Situation ist ein unhaltbarer Zustand."

Wie berichtet, sollen Johanniter und Malteser von 2012 an nicht mehr zu Unfällen in der Stadt Hildesheim ausrücken. Die Zuschläge bei der Ausschreibung des Rettungsdienstes haben das DRK in Hannover und der Arbeiter-Samariter- Bund (ASB) bekommen. Auch im Landkreis gibt es Veränderungen: In den Städten und Gemeinden rund um die Kreisstadt sind künftig das DRK, der ASB und die JUH jeweils für bestimmte Rettungswachen zuständig. ASB-Mitglieder kamen am Sonnabend nicht zur Demonstration. "Eigentlich wollten sie das, aber vermutlich gab es einen gewissen Druck", vermutete ein Protestler. Druck gab es offenbar auch bei den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehren. In einem Brief an die Stadt- und Gemeindebrandmeister hatte Kreisbrandmeister Josef Franke am Donnerstag die Teilnahme an der Demo untersagt. "Dies bezieht sich insbesondere auf eine Teilnahme in Dienstkleidung und die Inanspruchnahme von Dienstfahrzeugen der Feuerwehren", heißt es in dem Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt. Die Belange der Feuerwehren seien durch die Ausschreibung nicht unmittelbar betroffen.

Mit ihrer Demo wollten die Retter vor allem eines zum Ausdruck bringen: Da alteingesessene Organisationen durch die Neuverteilung auseinandergerissen und zerschlagen würden, leide das ehrenamtliche Engagement. Daher seien der Katastrophenschutz und der erweiterte Rettungsdienst in Gefahr. "Alle hauptamtlichen Mitarbeiter im Landkreis arbeiten künftig nicht mehr dort, wo sie es bislang taten", sagte Meik Hüpper von den Johannitern, der die Demonstration privat organisiert hatte. "Daher werden sie auch nicht mehr ehrenamtlich einspringen, wenn zum Beispiel eine Bombe entschärft werden muss." Die Retter seien verankert in ihren Heimatorganisationen, zudem erlaubten neue Arbeitgeber sicher keine ehrenamtlichen Einsätze an alten Einsatzstellen. "Die Leute sollen sehen, was die Politik alles kaputt macht."

Das Ehrenamt in Gefahr sieht auch Verdi-Mann Michael Frank, der ebenfalls demonstrierte. "Die Retter sind doch keine Schachfiguren, die man beliebig hin- und herschieben kann", schimpfte er. Und traf damit den Kern der Sache. "Die Politiker begreifen unsere Bindung nicht. Ich kann nicht hauptamtlich beim DRK und ehrenamtlich weiter bei den Johannitern sein", ärgerte sich ein 24-Jähriger, der ein Holzkreuz mit der Aufschrift "Die Johanniter: 1952- 2011" trug. "Der Leidtragende ist letztendlich die Bevölkerung." Wie eine "auseinandergerissene Familie" fühlten sich die Retter, schimpfte auch eine 21-Jährige vom DRK. "Wir haben unsere Strukturen jahrelang aufgebaut und arbeiten auf hohem Standard. Fängt man in einer neuen Organisation an, geht alles von vorn los, darunter leidet die Arbeit." Ihre Ängste zeigten die Retter während ihrer Demo mit zahlreichen Plakaten: "Wir werden von der Politik verkauft", "Eschede, Hornsen –wer übernimmt das?", "Katastrophen – und keiner hilft", "Wir sind keine Sklaven". 3000 Handzettel und 200 Aufkleber brachten die Protestler unters Volk, zudem sammelten sie Unterschriften, die an die Verwaltung überreicht werden sollen.

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