Rund 250 demonstrieren gegen Abschiebung von Badi und Anuar Naso nach Syrien

Rund 250 Menschen haben Schahnas und ihre Familie gestern dabei unterstützt, gegen die Abschiebung des Vaters Badir und des Sohnes Anuar nach Syrien zu demonstrieren. Wie berichtet, holten die Behören die beiden am vergangenen Dienstag im Haus der Familie in Giesen ab und brachten sie zum Frankfurter Flughafen.

08.02.11 –

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 08.02.11) Hildesheim. Die 18-jährige Schahnas Naso schaut zu Boden. Sie weint, wischt sich die Tränen von den Wangen. Eine Schulfreundin stützt das Mädchen, flüstert ihr etwas zu. Schahnas greift zu einem kleinen weißen Megaphon und ruft: "Wo ist mein Papa, wo ist mein Bruder? Ich will, dass sie zurückkommen." Ihre Stimme bricht, die 18-Jährige lässt den Kopf hängen.

Rund 250 Menschen haben Schahnas und ihre Familie gestern dabei unterstützt, gegen die Abschiebung des Vaters Badir und des Sohnes Anuar nach Syrien zu demonstrieren. Wie berichtet, holten die Behören die beiden am vergangenen Dienstag im Haus der Familie in Giesen ab und brachten sie zum Frankfurter Flughafen. Auch Mutter Bashe sollte abgeschoben werden, durfte jedoch bleiben, da sie einen Schwächeanfall erlitt.

Bis heute habe die Familie nichts vom 62-jährigen Badir und dem Neuntklässler Anuar gehört, sagt Schahnas, als sich die Demonstrierenden am Bahnhof in Bewegung setzen. Auch Roswitha Gömann ist dabei, eine Nachbarin der Familie Naso. "Bisher haben wir nur einen Bekannten in Damaskus erreicht", erzählt sie. "Er hat gesagt, die beiden sitzen im Gefängnis. Der syrische Geheimdienst hält sie auf unbestimmte Zeit fest." Gömann kennt die Familie seit 2001. Die Nasos flüchteten damals nach Deutschland und stellten einen Asylantrag. Dieser wurde abgelehnt, die Familie bekam 2005 lediglich eine Aufenthaltserlaubnis. Badir und Bashe Naso haben sieben erwachsene Kinder und zahlreiche Enkel, auch Nichten und Neffen leben in der Region Hildesheim. "Es war immer schön, wenn alle Kinder im Garten spielten. Da ging mir das Herz auf", sagt Nachbarin Gömann. "Wir waren eine Gemeinschaft und füreinander da."

Der Demonstrationszug zieht lautstark ("Keine Abschiebung!") durch die Kaiserstraße, steuert auf das Kreishaus zu. Schahnas geht neben ihrer Mutter, die in einem Rollstuhl geschoben wird. In Decken gehüllt, hält die Frau ein großes Foto ihres Sohnes in den Händen. Als die Demonstrierenden kurz Halt machen, dreht die 56-Jährige das Bild zu sich und küsst es. Bashe Naso weint. Inzwischen hält ein Freund des abgeschobenen Anuar das Megaphon. "Wo ist das Menschenrecht?", ruft er. "Abschiebung nach Syrien ist Mord." Die Angehörigen liegen sich in den Armen, stützen sich gegenseitig. "Der Rechtsstaat wird mit Füßen getreten", sagt einer.

Am Kreishaus bleiben die 250 Menschen stehen, auf den Platz vor dem Eingang dürfen sie zunächst nicht. "Das hat der Landkreis untersagt", erklärt ein Polizist. Die 18-jährigeSchahnasgreift erneut zum Megaphon. Sie selbst hat einen Realschulabschluss, gilt beim Landkreis im Gegensatz zu ihrem Bruder als gut integriert, darf daher in Deutschland bleiben. "Was soll ich hier alleine?", schreit sie in Richtung Kreishaus. "Warum zerreißt ihr meine Familie? Was habe ich nur falsch gemacht?" Wieder schluchzt sie, wieder versagt ihre Stimme. Einige der Demonstranten werden ungeduldig, sie wollen auf den Vorplatz, diskutieren mit den Polizeibeamten. "Wieso kommt denn keiner runter? Ist die Behörde zu feige?", fragt ein Mann.

Nach etwa 30 Minuten darf die Truppe doch noch auf den Platz. Schahnas steht vor der Eingangstür zum Kreishaus, schaut verzweifelt nach oben. "Bitte sprecht mit mir." Im Gebäude spricht Landrat Reiner Wegner lediglich mit Journalisten. "Natürlich ist die Trennung einer Familie kritisch", sagt er. "Das war so nicht vorgesehen. Wir wollten Vater, Mutter und Sohn gemeinsam nach Syrien schicken." Von einer "überfallartigen" Abschiebung könne man aber nicht sprechen. "Die Entscheidung ist seit September 2010 rechtskräftig."

Familie Naso setzt nun alle Hoffnung in einen Termin beim Verwaltungsgericht Hannover am morgigen Mittwoch. "Der steht bereits seit langem fest, unsere Situation soll dort besprochen werden", sagt ein Cousin des abgeschobenen Anuar. "Der Landkreis konnte diesen Termin aber offenbar nicht abwarten."

Kategorie

Migration und Flüchtlinge

Wahlprogramm für die Europawahl 2024

Zu unseren Veranstaltungen

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>